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Arbeitskampfrichtlinie: Rechtliche Folgen der Beteiligung an Arbeitskampfmaßnahmen
F. Rechtliche Folgen der Beteiligung an Arbeitskampfmaßnahmen
I. Auswirkungen auf das Einzelarbeitsverhältnis
1. Allgemeines
Bei einer rechtmäßigen Arbeitskampfmaßnahme handeln die die Arbeit niederlegen-den Beschäftigten nicht arbeitsvertragswidrig. Durch die kollektive Arbeitsniederle-gung wird das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag ruhen für die Dauer der Beteiligung an der Arbeitskampfmaßnahme. Dies gilt unabhängig davon, ob der oder die die Arbeit niederlegende Beschäftigte Mitglied einer Gewerkschaft ist.
a) Stilllegung
In der Reaktion auf einen Arbeitskampf, der die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber unmittelbar selbst betrifft, ist sie/er frei. Möglich ist die Stilllegung der unmittel-bar vom Arbeitskampf betroffenen Dienststelle bzw. des Dienststellenteils. In diesem Fall müssen arbeitswillige Beschäftigte nicht weiterbeschäftigt werden (BAG vom 22. März 1994 – 1 AZR 622/93 = AP Nr. 130 zu Art. 9 GG Arbeits-kampf = ZTR 1994 S. 512 – und vom 31. Januar 1995 – 1 AZR 142/94 = AP Nr. 135 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = ZTR 1995 S. 551 –).
Die Möglichkeit der Stilllegung mit der Folge der Entgeltsuspendierung besteht aber nur, wenn die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber gegenwärtig und unmittelbar von einem Streik betroffen ist. Vorbeugende Maßnahmen, die über die reine Gegenwehr hinausgehen und damit den Rahmen des Arbeitskampfes erwei-tern, sind nicht zulässig und suspendieren die Entgeltverpflichtung nicht. Im Kern wäre ein solches Vorgehen eine Aussperrung, die aber an besondere Vo-raussetzungen gebunden ist (BAG vom 15. Dezember 1998 – 1 AZR 289/98 = AP Nr. 154 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = ZTR 1999 S. 312 -).
Die die Arbeitsverhältnisse suspendierende Stilllegung bedarf einer Erklärung der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers. Diese Erklärung muss sich an die betroffe-nen Beschäftigten richten. Eine Erklärung gegenüber der Gewerkschaft ist we-der erforderlich noch ausreichend. An einer Stilllegungserklärung fehlt es, so-lange sich die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber nicht festlegt, sondern die rechtli-che Möglichkeit offenhält, die Arbeitsleistung jederzeit in Anspruch zu nehmen. Die (Weiter-) Beschäftigung von Beamtinnen und Beamten steht einer Stillle-gungserklärung nicht entgegen (BAG vom 11. Juli 1995 – 1 AZR 63/95 = NZA 1996 S. 214 –). Wird die Dienststelle bzw. der Dienststellenteil nicht stillgelegt, müssen arbeitswillige Beschäftigte grundsätzlich weiterbeschäftigt werden. Diese Verpflichtung entfällt jedoch, wenn wegen der Auswirkungen der Arbeits-kampfmaßnahme eine Weiterbeschäftigung im Rahmen der Aufgabenstellung der Dienststelle bzw. des Dienststellenteils nicht mehr möglich oder nicht mehr zumutbar ist (BAG vom 14. Dezember 1993 – 1 AZR 550/93 = AP Nr. 129 zu Art. 9 GG Arbeitskampf – und vom 11. Juli 1995 – 1 AZR 63/95 und 1 AZR 161/95 = NZA 1996 S 214 und S. 209 –).
Im Übrigen setzt eine Stilllegung nicht voraus, dass der Betrieb der Dienststelle vollständig zum Erliegen kommt. Unbenommen ist die Möglichkeit, Notstands-und Erhaltungsmaßnahmen durch Dritte durchführen zu lassen. Auch in diesem Fall verbleibt es bei der Wirksamkeit der Stilllegung mit der Folge der Suspen-dierung des Lohnzahlungsanspruchs der Arbeitnehmer. Zu beachten ist aller-dings, dass sich der Einsatz der Drittbeschäftigten auf diese Notstands-und Er-haltungsmaßnahmen begrenzen muss. Dies ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn auf diese Weise der Betrieb der Dienststelle in vollem Umfang aufrecht-erhalten wird (BAG vom 13.12.2011 – 1 AZR 495/10=NZA 2012, 995).
b) Entgeltzahlungsverpflichtung
Das als Anlage 5 beigefügten „Rundschreiben/Mitarbeiterbrief“ enthält den Hin-weis
„Beschäftigte, die sich an Arbeitskampfmaßnahmen nicht beteiligen, werden so-lange wie möglich beschäftigt.“
Wenn in der Dienststelle zusätzlich Listen ausgelegt werden, in die sich arbeits-willige Beschäftigte täglich eintragen sollen, wird das zusammen mit dem Hin-weis vom BAG als mögliches Indiz für einen Fortführungswillen der Arbeitgebe-rin/des Arbeitgebers gewertet. Gibt es in diesem Fall kein eindeutiges Verhal-ten, das auf die Einstellungsabsicht hinweist, wird ein Fortführungswille ange-nommen (BAG vom 11. Juli 1995 – 1 AZR 63/95 = AP Nr. 138 zu Art. 9 GG Ar-beitskampf = ZTR 1996 S. 180 sowie 1 AZR 161/95 = AP Nr. 139 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = ZTR 1996 S. 178 –).
Wenn daher der Hinweis im Mitarbeiterschreiben verwendet und Listen ausge-legt werden, sollte sofort eine eindeutige Erklärung der Betriebseinstellung er-folgen, sobald die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber selbst und unmittelbar von ei-ner Arbeitskampfmaßnahme betroffen ist und die Aufrechterhaltung des Dienst-stellenbetriebs für sinnlos hält. Ansonsten könnten Entgeltansprüche der ar-beitswilligen Beschäftigten unabhängig von ihrer tatsächlichen Beschäftigung entstehen. Die gerichtliche Überprüfung einer – dann voraussichtlich zwischen den Parteien streitigen – Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der weiteren Be-schäftigung birgt erhebliche prozessuale Risiken und ist in ihrem Ergebnis kaum prognostizierbar.
Nach Beendigung der Arbeitskampfmaßnahme besteht für die Beschäftigten ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung, es sei denn, dass das Arbeitsverhältnis im Einzelfall wirksam gekündigt oder auf andere Weise beendet worden ist.
2. Arbeitsentgelt, Jahressonderzahlung, vermögenswirksame Leistungen, Feiertagsbezahlung
Für die wegen der Beteiligung an Arbeitskampfmaßnahmen ausfallende Arbeitszeit besteht kein Anspruch auf Arbeitsentgelt. Das gilt auch für kurze Warnstreiks. Ein Entgeltabzug ist daher immer, d. h. unabhängig von der Länge des Arbeitszeitaus-falls vorzunehmen. Die Berechnung des zustehenden Arbeitsentgelts erfolgt in die-sen Fällen nach § 24 Abs. 3 bis 5 TVöD bzw. ggf. den entsprechenden Regelungen in anderen anwendbaren Tarifverträgen. Dies gilt auch für arbeitswillige Beschäftigte, die wegen der Arbeitskampfmaßnahme in ihrer Verwaltung nicht beschäftigt werden (z. B. wegen Beeinflussung oder Behinderung durch Streikposten, Stilllegung der Verwaltung, Ausfalls der Verkehrsmittel). Beschäftigte, bei denen durch die Teil-nahme an der Vorbereitung und Durchführung der Urabstimmung in ihrer Eigen-schaft als Mitglieder des Urabstimmungsvorstandes Arbeitszeit ausgefallen ist, ha-ben ebenfalls keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt (vgl. auch Abschnitt C).
Eine Beteiligung am Streik liegt allerdings nur vor, soweit Beschäftigte während der Arbeitszeit ihre Arbeitsleistung nicht erbringen. Nehmen sie nur während ihrer Frei-zeit (z. B. in den Mittagspausen oder außerhalb der Kern-arbeitszeit) an Arbeits-kampfmaßnahmen teil, ist kein Entgeltabzug vorzunehmen (BAG vom 26. Juli 2005 – 1 AZR 133/04).
Sind in der Dienststelle Zeiterfassungsgeräte vorhanden und besteht die Verpflich-tung, diese Geräte beim Betreten bzw. Verlassen der Dienststelle zu betätigen, ent-fällt diese Verpflichtung grundsätzlich nicht dadurch, dass Beschäftigte an einem Warnstreik teilnehmen wollen. Durch die Streikteilnahme werden nur die Hauptpflich-ten der Arbeitsvertragsparteien, nicht aber auch Nebenpflichten wie das Betätigen der Zeiterfassungsgeräte suspendiert. Sofern die Zeiterfassungsgeräte die Anzeige der Streikteilnahme nicht ermöglichen, haben die Dienststellen ein geeignetes Ver-fahren festzulegen, das sicherstellt, dass die streikbedingte Abwesenheit als Streik-zeit und nicht als Freizeit erfasst wird. Das kann z.B. durch das Ausfüllen eines Kor-rekturbelegs nach Ende der Streikteilnahme erfolgen.
Ein Anspruch auf Nachholung der durch eine Arbeitskampfmaßnahme ausgefallenen Arbeitszeit besteht nicht. Bei gleitender Arbeitszeit ist für die Arbeitszeitberechnung und für die Berechnung der Arbeitsentgeltkürzung bei ganztägigem Arbeitsausfall auf die Sollarbeitszeit und bei teilweisem Arbeitsausfall auf die in der Kernarbeitszeit ent-fallende Ausfallzeit abzustellen. Eine Arbeitsentgeltkürzung unterbleibt für Tage, an denen mindestens während der Kernarbeitszeit gearbeitet wurde.
Ist nach einer Dienstvereinbarung über gleitende Arbeitszeit der Stand des Gleitzeit-kontos auf der Grundlage der geschuldeten Arbeitszeit zu berechnen, bleiben Zeiten außer Betracht, in denen das Arbeitsverhältnis wegen Teilnahme am Arbeitskampf geruht hat. Arbeitskampfbedingte Ausfallzeiten führen nicht zu einer Belastung des Gleitzeitkontos, sondern zu einer Minderung des Arbeitsentgelts (BAG vom 30. Au-gust 1994 – 1 AZR 765/93 – AP Nr. 131 zu Art. 9 GG Arbeitskampf –).
Beschäftigte, deren Dienststelle nicht bestreikt wird, die jedoch infolge eines Arbeits-kampfes (z. B. wegen Ausfall der Strom- und Gasversorgung oder der Verkehrsmit-tel, BAG vom 8. September 1982 – 5 AZR 283/80 = AP Nr. 59 zu § 616 BGB –) nicht oder nur in einem geringeren Umfang beschäftigt werden können, haben keinen An-spruch auf Arbeitsentgelt für die ausgefallene Arbeitszeit.
Können Beschäftigte bei einem Wellenstreik für den Rest einer laufenden Schicht nicht beschäftigt werden, so tragen sie das Entgeltrisiko, auch wenn die Zeit der Nichtbeschäftigung außerhalb der Kurzstreiks liegt, wenn der Arbeitgeberin/dem Arbeitgeber eine andere Planung nicht zumutbar war, da bei Wellenstreik die Abwehr-maßnahmen der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers nicht immer auf die Zeit der einzel-nen Kurzstreiks begrenzbar sind (BAG vom 12. November 1996 – 1 AZR 364/96 = AP Nr. 147 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG vom 17. Februar 1998 – 1 AZR 386/97 = AP Nr. 152 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG vom 15. Dezember 1998 – 1 AZR 216/98 = AP Nr. 155 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
Der Entgeltanspruch der Beschäftigten bleibt erhalten, wenn die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber Arbeiten wegen Androhung eines Streiks in der eigenen Dienststelle vor-sorglich fremd vergibt, der Streik aber nicht stattfindet (BAG vom 15. Dezember 1998 – 1 AZR 289/98 = AP Nr. 154 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
Es sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Zahlung von Arbeitsentgelt für Zeiträume auszuschließen, für die die Beschäftigten keinen Anspruch haben. Soweit Arbeitsentgelt bereits für Zeiten gezahlt worden ist, für die kein Anspruch besteht, ist der Rückzahlungsanspruch unverzüglich geltend zu machen. Bei Aufrechnung gegen Ansprüche auf Bezüge für spätere Zeiträume sind die Pfändungsfreigrenzen zu be-achten.
Werden Beschäftigte wegen und während der Arbeitskampfmaßnahme „unterwertig“ beschäftigt (z. B. im Notdienst), werden die auf ihrer Entgeltgruppe beruhenden An-sprüche nicht berührt. Im Übrigen wird nur die angeordnete und geleistete Arbeit bezahlt.
Steht infolge eines Arbeitskampfes für mindestens einen vollen Kalendermonat kein Arbeitsentgelt zu, ergeben sich entsprechende Auswirkungen auf die Jahressonder-zahlung (vgl. § 20 Abs. 4 TVöD) und auf die vermögenswirksamen Leistungen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 4 TVöD). Hierin liegt keine unzulässige Maßregelung wegen der Teilnahme am Streik (vgl. BAG vom 3. August 1999 – 1 AZR 735/98 -= AP Nr. 156 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
Während eines Arbeitskampfes haben am Streik Teilnehmende grundsätzlich keinen Anspruch auf Feiertagsbezahlung nach § 2 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitskampfmaßnahme nur für einen arbeitsfreien Feiertag oder ein arbeitsfreies Wochenende unterbrochen worden ist. Ein Anspruch auf Feier-tagsbezahlung besteht aber ausnahmsweise dann, wenn der Arbeitskampf unmittelbar vor einem gesetzlichen Feiertag endet oder sich unmittelbar an einen gesetzli-chen Feiertag anschließt (BAG vom 31. Mai 1988 – 1 AZR 589/86 = AP Nr. 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG = NZA 1988 S. 887 -) sowie dann, wenn der Arbeitskampf unmittelbar vor einem gesetzlichen Feiertag endet, am Tag nach dem gesetzlichen Feiertag gearbeitet wird und an dem darauf folgenden Tag erneut gestreikt wird (BAG vom 11. Mai 1993 – 1 AZR 649/92 = AP Nr. 63 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG -). Das Ende eines Streiks vor einem Feiertag ist der Arbeitgeberin/dem Arbeitgeber aber von der Gewerkschaft bzw. den Beschäftigten mitzuteilen (vgl. BAG vom 23. Oktober 1996 – 1 AZR 269/96 - = AP Nr. 146 zu Art. 9 GG Arbeitskampf); andernfalls bleibt die Zahlungspflicht der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers weiterhin sus-pendiert.
Für gesetzliche Feiertage während eines Arbeitskampfes steht die Feiertagsbezahlung zu, wenn Feiertage in den bewilligten Urlaub fallen (BAG vom 31. Mai 1988 – 1 AZR 200/87 = AP Nr. 58 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG = NZA 1988 S. 887 -). Ein Anspruch auf Feiertagsbezahlung besteht aber nicht für in einen Arbeitskampf fallende Feiertage, die einem bewilligten Urlaub unmittelbar vorausgehen oder sich an ihn unmittelbar anschließen (BAG vom 31. Mai 1988 – 1 AZR 192/87 = AP Nr. 57 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG = NZA 1988 S. 889 - ).
Eine Überstundenvergütung wird auch im Falle eines rechtmäßigen Streiks nur ge-währt, sofern der Arbeitnehmer tatsächlich mehr Arbeitsstunden leistet als er nach der festgelegten Wochenarbeitszeit zu erbringen verpflichtet ist. Bei der Berechnung der geleisteten Wochenarbeitsstunden wird nur die aktiv erbrachte Arbeitszeit be-rücksichtigt. Auf die Teilnahme an einem Streik entfallende Zeiträume bleiben außer Betracht. Diese werden weder den tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden hinzuge-rechnet, noch von der zu erbringenden Wochenarbeitszeit abgezogen (BAG vom 14.05.2013, 1 AZR 178/12).
3. Entgelt im Krankheitsfall
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall setzt voraus, dass die Arbeits-unfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Beruht der Ausfall der Arbeitsleistung auf anderen Ursachen, kommt regelmäßig eine Entgelt-fortzahlung nicht in Betracht.
Beschäftigte, die bereits vor Beginn der Arbeitskampfmaßnahme arbeitsunfähig wa-ren, haben vom Beginn der Arbeitskampfmaßnahme an keinen Anspruch auf Entgelt-fortzahlung im Krankheitsfall, wenn die Dienststelle oder der Teil der Dienststelle, in dem sie arbeiten würden, durch die Arbeitskampfmaßnahme zum Erliegen kommt und deshalb auch ohne die Arbeitsunfähigkeit wegen der Arbeitskampfmaßnahme kein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestünde (vgl. BAG vom 8. März 1973 – 5 AZR 491/72 = AP Nr. 29 zu § 1 LohnFG -; Hessisches LAG vom 26.11.2003 – 2 Sa 656/03 - = ArbuR 2004, 196). Tritt die Arbeitsunfähigkeit erst während der Arbeits-kampfmaßnahme ein, besteht unter den gleichen Voraussetzungen ebenfalls kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Kommt die Dienststelle/der Dienststellenteil nicht zum Erliegen, entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur dann, wenn die/der Beschäftigte sich – trotz Arbeitsunfähigkeit – am Streik beteiligt oder wenn ihre/seine Beschäftigung we-gen des Streiks auch bei Arbeitsfähigkeit nicht möglich wäre (BAG vom 1. Oktober 1991 – 1 AZR 147/91 - = AP Nr. 121 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
Der Anspruch auf Krankenbezüge lebt bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit mit dem Ende der Arbeitskampfmaßnahme wieder auf, sofern die maßgebende Krankenbe-zugsfrist noch nicht abgelaufen ist. Dabei ist zu beachten, dass sich die Krankenbe-zugsfrist nicht um die Tage verlängert, an denen die Arbeit in der Verwaltung infolge der Arbeitskampfmaßnahme ausgefallen ist (BAG vom 8. März 1973 – 5 AZR 491/72 = AP Nr. 29 zu § 1 LohnFG -).
4. Arbeitgeberzuschuss nach § 14 Mutterschutzgesetz (MuSchG)
Für den Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG gelten die Ausführungen in Nr. 3 entsprechend (vgl. BAG vom 22. Oktober 1986 – 5 AZR 550/85 - = AP Nr. 4 zu § 14 MuSchG 1968).
5. Urlaub, Arbeitsbefreiung
a) Während einer Arbeitskampfmaßnahme soll Anträgen auf Gewährung von Ur-laub nicht entsprochen werden. Es bestehen jedoch keine Bedenken, wenn Ur-laubsanträgen ausnahmsweise entsprochen wird, die
aa) mit der Urlaubsplanung der Dienststelle im Einklang stehen oder
bb) von arbeitswilligen Beschäftigten gestellt werden, die sich bis zum Zeit-punkt der Urlaubsgewährung nicht an der Arbeitskampfmaßnahme betei-ligt haben.
Befinden sich Beschäftigte beim Beginn einer Arbeitskampfmaßnahme bereits im Ur-laub, läuft dieser weiter (BAG vom 9. Februar 1982 – 1 AZR 567/79 = AP Nr. 16 zu § 11 BUrlG -). Ein vor Beginn der Arbeitskampfmaßnahme bewilligter Urlaub ist zu gewähren. Im Übrigen dürfen Arbeitstage, an denen die Arbeit infolge einer Arbeits-kampfmaßnahme ausgefallen ist, nicht als Urlaubstage behandelt werden.
b) Ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung (z. B. nach § 29 TVöD) besteht nicht für Tage, an denen sich Beschäftigte an der Arbeitskampfmaßnahme beteiligen oder an denen sie infolge der Arbeitskampfmaßnahme nicht arbeiten können. Eine Ausnahme gilt für arbeitswillige Beschäftigte, die infolge der Arbeitskampf-maßnahme nicht arbeiten können, nur dann, wenn bei dem Beginn der Arbeits-kampfmaßnahme die Arbeitsbefreiung bereits festgelegt war (BAG vom 15. Ja-nuar 1991 – 1 AZR 178/90 = AP Nr. 114 zu Art. 9 GG Arbeitskampf -).
6. Beihilfen
Beihilfen im Krankheitsfall gemäß der Protokollerklärung zu § 13 TVÜ werden nicht zu Aufwendungen gewährt, die in einem Zeitpunkt entstanden sind, in dem das Ar-beitsverhältnis wegen Beteiligung an einer Arbeitskampfmaßnahme geruht hat und aus diesem Grunde kein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestand (BAG vom 5. Novem-ber 1992 – 6 AZR 311/91 = AP Nr. 7 zu § 40 BAT -). Dies gilt für alle Beschäftigten, die wegen der Arbeitskampfmaßnahme keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt haben (vgl. Nr. 2).
7. Sonstiges
Können arbeitswillige Beschäftigte infolge eines Arbeitskampfes ihre Arbeitsplätze nicht rechtzeitig erreichen (z. B. wegen des Ausfalls öffentlicher Verkehrsmittel), haben sie im Rahmen des Zumutbaren alle anderen Möglichkeiten zu nutzen, um an ihre Arbeitsplätze zu gelangen und den Arbeitsausfall so gering wie möglich zu halten. Es kann sinnvoll sein, ggf. unter Beteiligung der Dienststelle, z. B. Fahrgemeinschaften zu bilden. Ein Ersatz von zusätzlichen Fahrtkosten kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Hinsichtlich des Arbeitsentgelts für ausgefallene Arbeitszeit wird auf Nr. 2 verwiesen.
II. Auswirkungen einer Arbeitskampfmaßnahme auf die Sozialversicherung und die Zusatzversorgung
1. Krankenversicherung
a) Mitgliedschaft und Zahlungsansprüche der Beschäftigten
Während der Dauer eines rechtmäßigen Arbeitskampfes besteht die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger in der gesetzlichen Krankenversicherung fort, § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.
Die Mitgliedschaft von in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versi-cherten, wird durch den Wegfall des Entgelts infolge eines Arbeitskampfes ebenfalls nicht berührt. Dies gilt auch für die bei einer privaten Krankenversicherung versicherten Beschäftigten.
Mit dem Wegfall des Entgeltsanspruchs infolge eines Arbeitskampfes entfällt der Anspruch auf den Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag nach § 257 Abs. 1 oder 2 SGB V. Besteht infolge eines Arbeitskampfes nur für Teile eines Monats ein Entgeltanspruch und damit auch nur für Teile eines Monats Anspruch auf den Beitragszuschuss, ist dieser nach § 223 SGB V zu berechnen, d. h. für jeden Tag mit Entgeltanspruch besteht Anspruch auf ein Dreißigstel des monatlichen Beitragszuschusses.
Soweit kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht (vgl. Unterabschnitt I Nr. 3), haben in der gesetzlichen Krankenversicherung pflicht- und freiwillig Versicherte, solange sie arbeitsunfähig sind, auch während einer Arbeitskampfmaßnahme Anspruch auf Krankengeld gegen die zuständige gesetzliche Krankenkasse, und zwar auch dann, wenn die gesetzliche Entgeltfortzahlungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Es handelt sich dabei um originäre Ansprüche. Da in solchen Fällen die Krankenkasse nicht für die Arbeitgeber/innen eintritt, scheidet ein Forderungsübergang nach § 115 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) aus.
Während eines rechtswidrigen Arbeitskampfes bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger in der gesetzlichen Krankenversicherung längstens für ei-nen Monat ab Beginn des Streiks erhalten, §§ 7 Abs. 3 SGB IV, 190 Abs. 2, 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Bei Fortdauer des rechtswidrigen Arbeitskampfes über ei-nen Monat hinaus besteht für längstens einen weiteren Monat ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Dauert er länger als zwei Monate, besteht für den gesamten Zeitraum vom Beginn des zweiten Monats bis zum Ende des Streiks Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und damit einhergehend eine beitragspflichtige Mitgliedschaft.
b) Meldepflichten der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers
Wird eine versicherungspflichtige Beschäftigung durch Wegfall des Anspruchs auf Arbeitsentgelt für mindestens einen Kalendermonat unterbrochen und wird Kranken-, Verletzten-, Mutterschafts- , Erziehungs- oder Elterngeld bezogen, Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehr- oder Zivildienst geleistet, ist ge-mäß § 9 Abs. 1 DEÜV (Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung) inner-halb von zwei Wochen nach Ablauf des ersten vollen Kalendermonats der Unterbrechung eine Unterbrechungsmeldung an die zuständige Krankenkasse zu erstatten.
Im Falle eines rechtswidrigen Arbeitskampfes ist eine Meldung an die zuständige Krankenkasse zu erstatten (§§ 198 SGB V, 28a Abs. 1 Nr. 8 SGB IV). Dauert ein rechtswidriger Arbeitskampf länger als einen Monat, endet das Beschäftigungsverhältnis (s. o. Nr. 1 a). Die Abmeldung muss innerhalb von sechs Wochen nach dem Beschäftigungsende erfolgen, §§ 198 SGB V, 28 a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, 8 Abs. 1 DEÜV. Für die Wiederanmeldung gilt eine Frist von sechs Wochen seit Wiederaufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 6 DEÜV).
2. Pflegeversicherung
Für das Fortbestehen der Pflegeversicherung verweist § 49 Abs. 2 SGB XI auf die entsprechenden Regelungen im Krankenversicherungsrecht. Die Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung besteht daher nach § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V während eines rechtmäßigen Arbeitskampfes fort.
Da die Aufgaben der Träger der Pflegeversicherung von den gesetzlichen Krankenkassen wahrgenommen werden, besteht für die Pflegeversicherung keine weitere Meldepflicht.
3. Rentenversicherung
Die Rentenversicherung bleibt bei Wegfall des Arbeitsentgelts infolge der Arbeitskampfmaßnahme ohne zeitliche Begrenzung bestehen. Beiträge sind für diese Zeit jedoch nicht zu entrichten.
Volle Kalendermonate, für die wegen eines Arbeitskampfes keine Beiträge entrichtet worden sind, sind keine Ersatzzeiten oder Ausfallzeiten. Sie können zur Erfüllung der Wartezeit und zur Rentensteigerung nur angerechnet werden, wenn für sie freiwillige Beiträge entrichtet werden.
4. Arbeitslosenversicherung
Für die Zeit, für die wegen des Arbeitskampfes kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, sind keine Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten. Dieser Umstand kann sich für Beschäftigte auf die Anwartschaftszeit (§ 123 SGB III) und die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (§ 127 SGB III) auswirken.
Im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen ist die Arbeitsverwaltung zu Neutralität verpflichtet, § 146 SGB III. Sie darf nicht durch die Gewährung von Arbeitslosengeld in Arbeitskämpfe eingreifen. Daher ruhen die Ansprüche auf Arbeitslosengeld, wenn die Beschäftigten durch Beteiligung an einem inländischen Arbeitskampf arbeitslos geworden sind, § 146 Abs. 2 SGB III.
Inwieweit Beschäftigte Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB III haben, die durch einen inländischen Arbeitskampf, an dem sie nicht beteiligt sind, arbeitslos geworden sind oder die infolge Kurzarbeit einen Arbeitsausfall erlitten haben (mittelbar vom Arbeitskampf Betroffene), richtet sich nach §§ 146 Abs. 3 und 4, 174 SGB III.
5. Unfallversicherung
Die an Arbeitskampfmaßnahmen Beteiligten stehen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gilt auch für Unfälle, die sich auf dem Weg zu oder von der Arbeitsstelle ereignen, wenn die Arbeitsstelle aufgesucht wurde, um sich an Arbeitskampfmaßnahmen zu beteiligen.
6. Zusatzversorgung
Die Pflichtversicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder nach § 25 TVöD i. V. m. dem ATV bleibt auch in der Zeit bestehen, in der infolge von Ar-beitskampfmaßnahmen keine Entgeltansprüche gegeben sind. Umlagen, Sanierungsgelder und Beiträge sind für diese Zeit nicht zu zahlen. Ergeben sich volle Kalendermonate, für die keine Umlagen etc. zu entrichten waren, oder vermindert sich wegen des Wegfalls des Arbeitsentgelts das zusatzversorgungspflichtige Entgelt, kann dies zu einer geringeren Versorgungsrente führen.
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Red 20221206